Coronavirus und Werkvertragsrecht

Verträge sind einzuhalten

Dieser Rechtsgrundsatz ist die Basis für Verlässlichkeit und Rechtsfrieden. Er dient dazu die Vertragspartner an abgeschlossene Vereinbarungen zu binden. Allerdings gibt es Situationen, in denen die Erfüllung von Verträgen unmöglich oder unzumutbar wird. Daran sind hohe Anforderungen geknüpft. Das Gesetz regelt diese Anforderungen. Zum Einen wird die „Unmöglichkeit“ im § 275 BGB behandelt und die "Störung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage" in § 313 BGB. Die Parteien können sich für derartige Ausnahmesituationen aus Verträgen zu befreien aber auch vertragliche Vereinbarungen treffen. Das geschieht in der Regel in AGB oder in Zusatzabsprachen nach Vertragsschluss.

Die Frage, wie im Fall des Corona-Problems mit abgeschlossenen Verträgen umzugehen ist, wird deshalb im Konkreten immer vom Einzelfall und der hier anzuwenden gesetzlichen oder auch vertraglichen Regelungen abhängig sein. Es gibt keine Pauschalantwort.

 Ausnahmezustand Coronavirus?

Die Virusverbreitung hat längst auch dramatische Auswirkungen auf Vertragsketten. Wenn wegen der Viruserkrankungen nur noch eingeschränkt produziert werden kann, können Hersteller – und zwar inzwischen nicht nur aus China - ihre Kunden nicht mehr zeitgerecht oder nur noch partiell beliefern. Die Lieferprobleme haben dann Auswirkungen auf Folgeverträge.

Wenn Lieferverträge nicht erfüllt werden (können), stellt sich die Frage, ob diese Unternehmen, auch wenn die Schuld fehlt, für die Nichterfüllung von Verträgen haften müssen oder der Ausbruch des Virus höhere Gewalt darstellt und zu Haftungserleichterungen oder -ausschlüssen führt.

Höhere Gewalt

Für Lieferfirmen ist es wichtig, ihre Vertragsklauseln zu höherer Gewalt zu prüfen, die möglicherweise jeweils auch die Konsequenzen regeln. Höhere Gewalt ist nach der Definition des BGH ein „von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“ (BGHZ 100, 157). Im internationalen Vertragsverkehr sind für derartige Situationen sog. „Force Majeur“ Zertifkate entwickelt worden, um sich vor Regressrisiken bei Lieferausfällen zu schützen. Lieferfirmen sind gehalten, den Vertragspartner zu informieren, Nachweise zu sammeln und gegebenenfalls hilfsweise ein Wegfall der Geschäftsgrundlage zu prüfen.

Auf höhere Gewalt können sich Firmen nur dann berufen, wenn unerwartete, nicht zu beeinflussende äußere Umstände eintreten, die sie daran hindern, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Das erfordert einen entsprechenden Nachweis der Unmöglichkeit sowohl für den Umstand, als auch für die Kausalität  zum Lieferausfall. Lediglich eine Erschwernis reicht dafür ebenso wenig, wie ein bloßes Berufen auf das Corona-Virus.

Die unmittelbare höhere Gewalt (in der Praxis z. B. eine behördliche Anordnung der Schließung öffentlicher Gebäude, in denen Werkleistungen erbracht werden sollten) kann eine objektive Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB begründen, die zum gleichzeitigen Ausschluss der Gegenleistungspflicht führt. Der Vertrag selbst bleibt grundsätzlich bestehen.

Für die Zukunft des aufgrund höherer Gewalt nicht durchführbaren Vertrags kann die Anpassung bzw. die Vertragsaufhebung aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bedeutsam werden.

Im Falle, dass der Werkunternehmer aufgrund höherer Gewalt nicht leisten kann, kommt die gesetzliche Möglichkeit des Bestellers in Betracht, den Werkvertrag aufgrund von Unmöglichkeit zu kündigen, §§ 634 Nr. 3, 326 Abs. 5 BGB.

Das gilt sowohl für Lieferverträge, als auch für etwaige Folgeverträge. Mit anderen Worten: wenn sich z.B. ein Werkunternehmer auf die Unmöglichkeit der von ihm versprochen Leistung wegen höherer Gewalt berufen will, hat er den Nachweis zu den Ursachen und Auswirkungen bezogen auf den konkreten Einzelfall nachzuweisen. Er sollte ferner Tatsachen vortragen können und die dem entsprecehenden Beweise sichern, dass er alles in seiner Macht stehende getan hat, um die negativen Auswirkungen aus Erfüllungsschwierigkeiten bzw. Ausfällen abzuwenden.

Coronavirus und die „Unmöglichkeit“

Ist die Leistungserbringung unmöglich, ist sie auch nicht mehr vertraglich geschuldet. Hier geht es nicht um subjektives Unvermögen, sondern um objektive Unmöglichkeit. Liegt Letzteres vor wird z.B. ein zur Leistung Verpflichteter von seiner Erfüllungspflicht befreit. Die Ausübung eines solchen Leistungsverweigerungsrechts ist von dem Verpflichteten Vertragspartner aber an der Art der Unmöglichkeit festzumachen und mit Schadenersatzansprüchen des anderen Vertragspartners verbunden sein, da dieser auf die Leistungserbringung vertrauen durfte und sich darauf gegebenenfalls wirtschaftlich eingestellt hat.

Ob das Coronavirus zur Unmöglichkeit der Erfüllung eines abgeschlossenen Vertrages führt unterliegt letztlich der gerichtlichen Bewertung des jeweiligen Einzelfalles.

Coronavirus und der Wegfall der Geschäftsgrundlage

Hintergrund der gesetzlichen Regelung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage sind besondere Situationen, infolge derer ein Festhalten an abgeschlossenen Verträgen  nicht mehr als sachgerecht angesehen wird und die eine oder beide Parteien sich aus dem Vertragsverhältnis lösen können. 

Auch hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Es muss aber um Situationen gehen, die nicht vorhersehbar und demzufolge auch nicht kalkulierbar waren. 

Es gilt, dass wenn sich bestimmte Vertragsgrundlagen nach Vertragsschluss geändert haben und die Parteien in Kenntnis dieser Umstände den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten, eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist.

Falls eine Vertragsanpassung – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Betracht kommt, ist die Alternative des Rücktritts vom Vertrag möglich. 

Bei Dauerschuldverhältnissen kommt unter den Bedingungen des Wegfalls oder der Störung der Geschäftsgrundlage auch eine Kündigung in Betracht.

Prüfschema:

  • Wann ist ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar?
  • Wann ist eine Vertragsanpassung unzumutbar, sodass ein Rücktritt vom Vertrag in Betracht kommt?
  • Ist eine Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses möglich, wenn die Äquivalenzstörung nicht von Dauer ist?
  • Muss man den Vertragspartner beliefern obwohl man es nicht kann, weil man am Coronavirus erkrankt ist?
  • Welche Anstrengungen muss man unternehmen, um seiner Leistungspflicht nachzukommen?
  • Kann man sich vom Vertrag lösen oder kann der Vertragspartner den Vertrag beenden?
  • Hat man einen Anspruch auf Lieferung oder Abnahme?
  • Kann man sich vor Vertragsstrafen oder Schadensersatzansprüchen schützen?
  • Kann man selbst Schadensersatzansprüche geltend machen?
  • Welche Schritte müssen zwingend eingeleitet werden, um keine Rechtsnachteile zu erleiden?

Fehler die hier gemacht werden, können teuer werden – für beide Seiten. Wenn eine Beendigung des Vertrages zu Unrecht erfolgt, wird die Gegenseite Schadensersatzforderungen stellen.

Wenn die Vertragsanpassung nicht verlangt wird, kann das wirtschaftlich für den benachteiligten Unternehmer ebenfalls erhebliche Vermögenseinbußen nach sich ziehen.

Daher ist eine Prüfung und gegebenenfalls eine Verhandlung mit dem Vertragspartner mit juristischer Begleitung unumgänglich. 

Coronavirus und behördliche Anordnungen?

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus kann eine Änderung der Geschäftsgrundlagen durch Rechtsänderungen oder Eingriffe durch den Staat relevant werden. 

Wenn die Anordnung einer Behörde vorliegt, ist das Leistungshindernis konkret zu analysieren. Auch innerhalb der Leistungsbeziehungen der Vertragspartner macht es einen Unterschied, warum eine Leistung nicht erbracht werden darf, nicht erbracht werden kann oder vorsorglich nicht erbracht werden wird.

Damit ist der Grund für das Leistungshindernis auf Basis behördlichen Handelns auch hier immer mit in die Prüfung einzubeziehen.

Störung und Folgen

Die vorschnelle Beendigung eines Vertrages bei einer vermeintlichen Störung bzw. einem angenommenen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann teuer werden. Wenn sich herausstellt, eine Vertragsanpassung als Option gewirkt hätte, würden ein Rücktritt oder eine Kündigung in ein finanzielles Risiko für den Leistenden führen.

Handlungsoptionen

Um festzulegen, welche rechtlichen Schritte zu gehen sind, ist zu analysieren, welche wirtschaftlichen Folgen die geschlossenen Verträge mit sich bringen.

Sollte absehbar sein, dass ein Auftragnehmer Verträge mit Kunden aufgrund von Corona-Virus-bedingten Lieferengpässen nicht mehr erfüllen kann oder ähnliche Szenarien drohen, sollten die entsprechenden Verträge umgehend auf etwaige Force Majeure-Klauseln geprüft werden. Sofern entsprechende Klauseln nicht vorhanden sind, wäre zu prüfen, ob sich aus dem anwendbaren nationalen Recht oder den behördlichen Anordnungen Ansatzpunkte für die Beendigung oder Nachverhandlung von Verträgen ergeben.

Es sind folgende Rechtsfolgen denkbar:

  • Vertragliche Beziehungen werden „automatisch“ aufgelöst
  • Vertragspflichten werden temporär ausgesetzt und bspw. nach dem Ende des außerordentlichen Ereignisses wieder eingesetzt
  • jeder Partei steht ein (Sonder-)Kündigungsrecht zu
  • die Parteien schließen Vereinbarungen, wie mit bestehenden Verträgen umgegangen werden soll

Beim Abschluss aktueller Verträge ist das Risiko von Störungen durch ernstzunehmende Krankheiten und damit im Zusammenhang stehender Störungen weit und sachgerecht zu berücksichtigen und zu regeln.


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