Zugang wichtiger Schreiben

Viele Baubeteiligte glauben, dass ein Faxprotokoll, eine Email-Lesebestätigung oder die Eintragungen in ein Postausgangsbuch als Nachweis für die Zustellung ausreichen. Das ist falsch. Nicht auf das Absenden kommt es an, sondern darauf, dass ein Dokument in den Verfügungsbereich eines Adressaten gelangt. Wie sieht die Rechtsprechung das Thema Zugang?

Der BGH hat vor Jahren dazu formuliert, dass ein Brief dann „zugegangen“ ist, wenn ihn der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann (BGH IBR 1998, 152). Wird ein Brief in einen Hausbriefkasten eingeworfen geht er dann zu, wenn üblicherweise mit der nächsten

Leerung des Briefkastens gerechnet werden kann. Ein abends eingeworfener Brief geht demnach nicht sofort zu, sondern erst am Morgen des nächsten Tages. Beweisbelastet für den Einwurf des Schreibens ist der Absender. Praktischerweise kann der Einwurf durch einen Boten vollzogen werden, der den Einwurf formlos protokolliert und ggf. später als Zeuge zur Verfügung steht.

Die Zustellung in einen Sammelbriefkasten, der nicht regelmäßig geleert wurde, sah das Gericht mit der Einlegung des Schriftstückes in den Briefkasten als gegeben an. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Adressaten kommt es nicht mehr an, so das Gericht. Wird ein Briefkasten von mehreren Personen, die in derselben Wohnung wohnen, genutzt, kommt es für den Bekanntgabezeitpunkt nicht darauf an, wie die Briefkastenleerung erfolgt und wie und wann die Post unter den Mitgliedern der Wohnung verteilt wird. Selbst ein sog. Sammelbriefkasten, der für mehrere Wohnungen oder Geschäftsräume eingerichtet ist, ist für eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO geeignet, so das Gericht (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.06.2009 - 6 K 9096/05). Fehlt ein Briefkasten,  kann sogar die Platzierung des Schreibens im Hauseingangsbereich ausreichend sein (LG Krefeld, Urteil vom 06.02.2009 - 1 S 117/08).

Wenn die Zustellung an eine GmbH Schwierigkeiten bereiten sollt, kann auch über den jeweiligen Geschäftsführer, notfalls über seines Privatadresse, zugestellt werden (BGH IBR 2003, 527).

Zustellungsmöglichkeiten in der Praxis

Übergabe durch Boten gegen Empfängerbescheinigung

Der sicherste Zugangsnachweis besteht in der Übergabe des Schreibens durch einen Boten gegen eine vom Empfänger zu unterschreibende Empfangsbescheinigung. Allerdings ist es in der Praxis oft nicht möglich, einen Boten mit der Übermittlung von Schrieben zu beauftragen. Wenn der Empfänger nicht angetroffen wird, wäre auch die Bescheinigung des Boten zugkräftig. Aus der Notiz des Boten sollte hervorgehen, wo, wie und wann er das betreffende Schreiben in den Briefkasten eingeworfen hat.

 Das Einschreiben mit Rückschein

Das Einschreiben mit Rückschein ist im Geschäftsverkehr gebräuchlich. Der Rückschein wird vom Adressaten unterzeichnet und gilt regelmäßig zunächst erst einmal als Zugangsnachweis. Eine Zustellung kann grundsätzlich auch an Empfangsboten erfolgen. Das sind Personen, die grundsätzlich berechtigt sind, Post entgegenzunehmen. Im privaten Bereich gehören dazu die direkten Familienangehörigen des Adressaten, die mit ihm in einem Haushalt oder einer Wohnung leben (Ehepartner, volljährige Kinder, Eltern, Schwiegereltern, Geschwister). Nimmt ein sog. Empfangsbote das Schreiben in Empfang, geht das Schreiben auch nicht sofort zu. Der Zugang erfolgt erst, wenn unter gewöhnlichen Umständen mit der Weitergabe des Schreibens an den Adressaten zu rechnen ist.

Problematisch wird es, wenn weder der Adressat, noch Empfangsboten vom Briefträger bei der Zustellung des Einschreibens angetroffen werden. Die Benachrichtigung des Postboten, dass in der zuständigen Poststelle ein Einschreiben hinterlegt wurde gilt gewöhnlich noch nicht als Zugangsbeweis. Nach Ansicht des BGH liegt mit der bloßen Benachrichtigung von der Hinterlegung des Einschreibebriefes im Postamt kein Zugang vor, weil die Erklärung noch nicht in den Machtbereich des Adressaten geraten ist. Damit kann auch kein Zugang in dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem dem Adressaten die Abholung des Einschreibebriefs zumutbar ist. Anders wurde dies bei einem Postfach gesehen (BGH NJW 2003, 3270). Vereitelt der Adressat arglistig den Zugang, kann er daraus keine Rechte herleiten. Dann muss er sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei ihm das Schreiben im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit rechtserheblichen Mitteilungen rechnen muss.

Anders wird die Sache wieder beurteilt, wenn ein Empfangsbote die Annahme des Schreibens verweigert. Das kann einem Adressaten nicht zugerechnet werden, wenn er hierauf keinen Einfluss hat.

Das Einschreiben mit Rückschein ist also nur dann Zugangsbeweis, wenn der vom Adressaten unterschriebene Rückschein zurückkommt. Wird dagegen später behauptet, dass das Couvert des Einschreibens leer war, kehrt sich die Beweislast um, so dass der Adressat den Nichtzugang zu beweisen hätte. Wird ein Einschreiben nach Hinterlegungsbenachrichtigung nicht beim Postamt abgeholt, ist zu empfehlen, einen erneuten Zustellungsversuch zu unternehmen.

Das Einwurfeinschreiben

Beim Einwurfeinschreiben übernimmt der Briefträger Zeugenfunktion. Er protokolliert den Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Adressaten. Vorausgesetzt der Briefträger arbeitet ordnungsgemäß und protokolliert nicht im Vorhinein, sondern erst nach erfolgtem Einwurf, ist damit der Zugang des Schreibens erfolgt. Zugänglich wird der Beweis, wenn sich der Absender des Schreibens einen Beleg der Post ausstellen lässt.

Die normale Briefpost

Es wird empfohlen, bei wichtigen Schreiben, die auf dem normalen Postweg zugestellt werden sollen, den Postweg mit einem Vorabfax zu kombinieren. Dazu gehört, dass im Adressfeld die korrekte Faxnummer des Adressaten erscheint und möglichst ein Dritter mit der Absendung des Vorabfaxes betraut wird. Danach trägt zur weiteren Zugangssicherheit bei, wenn der oder die Dritte der Faxsendung hinterher telefoniert, sich den Empfang fernmündlich bestätigen lässt und all dies kurz protokolliert.

Das Fax

Die Beweiskraft von Faxprotokollen ist gering. Der BGH sieht in einem Faxsendeprotokoll noch keinen Zugangsnachweis. Es fehle an gesicherten Erkenntnissen, wie oft Telefaxübermittlungen trotz eines einwandfreien Sendeberichts scheiterten. Ursache hierfür könnten neben einer Manipulation am Sendegerät ein Defekt am Empfangsgerät, z.B. Papierstau oder eine Leitungsstörung sein. Deshalb sei der o.k.-Vermerk allenfalls ein Indiz für den Zugang. Dieses Indiz sei für sich allein jedoch nicht aussagekräftig. Auch die Abbildung der Telefaxvorlage auf dem Sendebericht beweist keinen Zugang.

Der BGH hat die Frage offengelassen, ob im Falle des Bestreitens eines Faxzugangs die Gegenseite das Empfangsjournal für den betreffenden  Zeitraum vorlegen müsse, aus dem hervorgeht, dass das Fax nicht eingegangen ist (so Landgericht Darmstadt IBR 1994, 102).

Allerdings „wackelt“ die Rechtsprechung vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Technik. Das OLG Jena fordert aufgrund der „generell hohen Zuverlässigkeit des Telefaxdienstes“ erhöhte Anforderungen an das prozessuale Bestreiten des Zugangs durch den Empfänger (OLG Jena, Urteil vom 09.09.2002; Az.: 6 Verg 4/02). Da die gerichtlichen Entscheidungen zum Zugangsbeweis eines Faxes sehr unterschiedlich ausfallen, wird empfohlen, nach dem Absenden eines Faxes hinterher zu telefonieren und das Ergebnis zusätzlich zum Faxprotokoll zu notieren.

Emailverkehr

Für den elektronischen Rechtsverkehr ergibt sich die Frage, ob Lesebetätigungen als Zugangsnachweis angesehen werden können.  Das ist insofern problematisch, da das Absenden einer Lesebescheinigung nicht unbedingt auch auf den Absender schließen lässt.

In diesem Zusammenhang steht die Frage ob Emails das Schriftformerfordernis erfüllen. Das OLG Frankfurt ist der Meinung, dass eine Mangelrüge per Email nicht das nach § 13 Abs. 5 Nr. 1, Satz 2 geforderte Schriftformerfordernis erfüllt, wenn der Absender nicht eine qualifizierte elektronische Signatur nachweist. Damit wäre eine übliche Mail (ohne Signatur) nicht geeignet, etwaige Verjährungsfristen zu verlängern oder sonstige Fristen in Gang zu setzen (OLG Frankfurt, 30.04.12 – 4 U 269/11). Diese Entscheidung bezieht sich aber auf einen baurechtlichen Fall, dem auch noch die VOB/B zugrunde lag. In einem arbeitsrechtlichen Fall hat das Bundesarbeitsgericht eine Email als Erfüllung des Schriftformerfordernisses angesehen. Vereinbaren die Vertragsparteien, dass ein Anspruch schriftlich geltend zu machen ist, genügt zur Wahrung der Form - soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist - die telekommunikative Übermittlung, so das BAG. Erfasst sind damit neben dem Telefax auch die E-Mail. Der Text muss demnach so zugehen, dass er dauerhaft aufbewahrt werden oder der Empfänger einen Ausdruck anfertigen kann. Es wird auf die Unterschrift, nicht aber auf eine textlich verkörperte Erklärung verzichtet (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2009 - 5 AZR 888/08).

Findige Praktiker haben in dem Schriftverkehr auch eine kleine Provokation verpackt: „… neben der von uns angezeigten Behinderung bedanken wir uns aber für den Zusatzauftrag über 2.000 €…“. Reagiert der Empfänger dann auf das Thema Zusatzauftrag, kann er den Fakt der Behinderungsanzeige nicht mehr bestreiten.

Zustellung durch den Gerichtsvollzieher

Die teuerste Variante der Zustellung mit rechtlichem „Tiefgang“ ist die Zustellung eines Dokuments durch den Gerichtsvollzieher. Es ist selbsterklärend, dass diese Form der Zustellung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte.  Gerade auch hinsichtlich des in Bauangelegenheiten regelmäßig bestehenden Zeitdrucks und der Notwendigkeit von zügigen Fristauslösungen erscheint diese Zustellvariante wenig geeignet.


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