Umgang mit Bedenken

1. Dem Auftragnehmer kann im Einzelfall nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen, wenn er dem Auftraggeber nicht nur ordnungsgemäß seine Bedenken mitgeteilt hat, sondern wenn die Prüfung dieser Bedenken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ergebnis hat, dass die vom Auftraggeber vorgesehene Art der Ausführung zum Eintritt eines erheblichen Leistungsmangels oder eines sonstigen nicht nur geringfügigen Schadens führen wird.

2. Geht der Auftraggeber auf fachlich begründete Bedenken des Auftragnehmers überhaupt nicht ein und lehnt er den vom Auftragnehmer - für den Fall einer entgegen seinen Bedenken weisungsgemäß erfolgenden Arbeitsaufnahme und Ausführung - erbetene Freistellung von der Gewährleistung ohne hinreichende Begründung ab, kann die Weisung des Auftraggebers, die Werkleistung auf eine gegen die Regeln der Technik verstoßende Weise zu erbringen, insoweit treuwidrig sein, als der Auftraggeber vom Auftragnehmer nicht verlangen darf, durch eigenes Handeln einen so gut wie sicher voraussehbaren (Sach- bzw. Personen-) Schaden herbeizuführen bzw. zumindest zu fördern bzw. seinen Versicherungsschutz wegen einer bewussten Pflichtwidrigkeit zu gefährden bzw. zu verlieren.

3. Wenn der Auftraggeber eine von ihm zu treffende Entscheidung (ggf. Anordnung i.S.v. § 1 Abs. 3 VOB/B) als notwendige Mitwirkungshandlung verzögert bzw. nicht trifft, stehen dem Auftragnehmer die Rechte aus §§ 304, 642 BGB zu. Der Auftragnehmer ist berechtigt, mit der Ausführung der Arbeiten, auf die sich seine fundiert vorgebrachten Bedenken beziehen, eine angemessene Zeit nach Zugang der Mitteilung beim Auftraggeber zu warten, bis er seinerseits unter normalen Umständen den Zugang einer Entschließung des Auftraggebers erwarten kann.

4. Meldet der Auftragnehmer (insoweit als Nachunternehmer) nach Besichtigung der vom Auftraggeber (bzw. in dessen Auftrag) erbrachten Vorunternehmerleistungen konkrete Bedenken gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B an und lehnt er für den Fall der Ausführung seiner Arbeiten ohne vorherige Nachbesserung der von ihm konkret beanstandeten Mängel des Vorgewerks jede Gewährleistung für darauf beruhende Mängel ab, so berechtigt dies den Auftraggeber nicht zur Kündigung des Vertrages mit dem Auftragnehmer (als Nachunternehmer) aus wichtigem Grund. Dies gilt selbst dann, wenn solche Bedenken zu Unrecht, indes nach hinreichender fachlicher Überlegung, erhoben wurden.

5. Grundlage eines Leistungsverweigerungsrechts des Auftragnehmers aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann auch sein, dass sich der Auftraggeber hinsichtlich eingereichter Nachtragsangebote - unter Verstoß gegen seine Kooperationspflichten - völlig passiv verhält, denn dem Auftragnehmer kann nicht zugemutet werden, Anordnungen des Auftraggebers gemäß § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 4 Satz 1 VOB/B befolgen zu müssen, ohne auf der anderen Seite Klarheit über die ihm dafür zustehende Vergütung zu erhalten.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2018 - 22 U 71/17


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